Nicht nur jene, die oben auf einer Kanzel stehen, predigen im Gottesdienst, auch die Musik trägt ihren Teil zur Predigt bei – oder in diesem Fall sogar der Tanz. Ja in gewisser Weise wirkt dabei auch die Gemeinde mit.
Der Gottesdienst wird bestimmt von der Komposition «Omnia tempus habent» von Daniel Glaus. Das Thema stammt aus dem Predigerbuch. Es spricht von der Zeit als einer dem Menschen nicht zur Verfügung stehenden, sondern einer zukommenden, geschenkten Zeit. So hat, wie der Komponist sagt, «jeder Mensch seine Zeit, und alle Biographien zusammen ergeben die Weltgeschichte. Wir ziehen unseren Weg in der Welt und hinterlassen ab und zu Spuren, eingeritzt in die Oberfläche der Gegenwart.» Diese Spuren deutet er musikalisch-symbolisch durch die für die Soli (Oboe, Singstimme, Tänzerin, Prediger) auskomponierten «obligaten», wechselweise in den Vordergrund tretenden Stellen, während das Vokalensemble im Hintergrund die Zeit-Atmosphäre durch langsame Klänge herstellt.
Damit wird die gesamte Komposition zu einer Predigt, bei der die verschiedenen Stimmen und Personen die Vielfältigkeit der Zeiterfahrung zum Ausdruck bringen, somit auf ihre Weise predigen. Darum entfaltet die Oboe von ihrem «besten Ton», dem «h», her alle ihre Töne in Korrespondenz mit der menschlichen Stimme. Auch der Prediger hat «seine Zeit», zu fragen, zu deuten, zum Nachdenken anzuregen. Und die Tänzerin trägt das ihre bei mit Bewegungen, Gesten, Sprüngen.
Dadurch will der Komponist auch der Gemeinde, jedem einzelnen, seine Zeit geben und ihn im besten reformatorischen Sinne zum Mitprediger machen. Darum gibt es drei Generalpausen (5, 45 und 48 Sekunden lang), d.h. stille («stehende») Zeiten, damit das Gehörte und Erlebte sich in jedem selbständig machen und wirken kann.
Eintritt frei.
Eine Veranstaltung von Münsterkirchgemeinde Bern und Musikfestival Bern.